Habt ihr das Drama um die digitale ID in Großbritannien auf dem Schirm?
Das Vereinigte Königreich steht gerade Kopf, weil Premierminister Keir Starmer ein Fass aufmacht, das uns alle angehen könnte: Bis Ende der Legislaturperiode 2029 soll es eine verpflichtende digitale ID geben, die sogenannte „BritCard„, die jeder Arbeitnehmer vorweisen muss. Offiziell, um illegale Migration zu stoppen, aber die Pläne sind viel weitreichender, und der Widerstand ist gigantisch!
Die „BritCard“: Effizienz-Turbo oder Überwachungs-Albtraum?
Die Labour-Regierung will damit einen klaren Riegel vorschieben: Wer illegal im Land ist, soll keinen Job mehr finden. Klingt auf dem Papier erstmal nach einer klaren Strategie. Die Regierung betont, dass die ID, die digital auf dem Smartphone gespeichert wird, datenschutzkonform sei und zunächst nur zur Überprüfung der Arbeitserlaubnis diene. Sie soll aber auch den Zugang zu staatlichen Dienstleistungen vereinfachen, ganz nach dem Motto: Ein Klick statt zig Formulare! Auch ein Pilotprojekt für Veteranen läuft schon.
Doch schaut man genauer hin, kochen die Gemüter hoch. Die Pläne gehen weit über die Arbeitswelt hinaus:
- Ausweitung auf Minderjährige: Die Pflicht soll sogar auf unter 13-Jährige ausgeweitet werden, die gar nicht arbeiten dürfen. Kritiker sehen hier eine Vorbereitung für eine allgemeine Internetsperre oder Altersverifikation, was den freien Zugang zum Netz massiv einschränken könnte.
- Der „Function Creep“: Das ist das Schreckgespenst aller Bürgerrechtler. Organisationen wie Big Brother Watch warnen vehement davor, dass ein System, das für einen harmlosen Zweck eingeführt wird, unweigerlich ausufert und am Ende zu einem „Datenbank-Staat“ führt. Historisch wurden solche Ausweise immer wieder für andere „moralische Paniken“ missbraucht, von Bigamie bis Terrorismus. Sie befürchten: Der Staat könnte riesige Datenmengen sammeln und durch die Verknüpfung mit einer eindeutigen Kennung ein lückenloses Profil jeder Person erstellen.
Der Aufstand der Massen (und Parlamentarier)
Die Reaktion der Bevölkerung ist eindeutig:
- Über 2,9 Millionen Bürger haben eine Petition unterschrieben, die den sofortigen Stopp der ID-Pläne fordert, weil sie einen „gefährlichen Schritt hin zu Massenüberwachung und digitaler Kontrolle“ sehen.
- Auch Teile der Politik wehren sich: 37 Abgeordnete des Parlaments unterstützen den Protest und befürchten eine „gefährliche und dauerhafte Veränderung im Verhältnis zwischen der Regierung und den Regierten“.
Selbst der Gründer von Telegram, Pawel Durow, spricht von einer „dystopischen Verschiebung“ und sieht die Einführung der ID als Teil einer weltweiten Entwicklung, die zusammen mit der EU-Chatkontrolle und der Altersverifikation im Netz zu einem „ultimativen Kontrollinstrument“ ausarten könnte.
Deutschland und die globale ID-Welle
Was in Großbritannien passiert, ist für uns nicht irrelevant. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und die Union haben in Deutschland ihre Überzeugung nie verhehlt, dass digitale Identifikationsmechanismen auch hier zur „echten Migrationskontrolle“ beitragen könnten.
Merz hat sogar schon Anreize ins Spiel gebracht, etwa einen Zehn-Prozent-Rabatt für Krankenkassen-Kunden, die ihre Daten digital freigeben.
Sein Argument: Der deutsche Datenschutzfokus stehe einer „gewinnbringenden (!) Datennutzung“ im Weg.
Tatsächlich steht die digitale ID auf der Agenda vieler Nationen: Im Rahmen des UN-Zukunftspakts haben sich 2024 193 Mitgliedsstaaten, inklusive Deutschland und das UK, zur Einführung einer digitalen Identität bekannt. Organisationen wie das Tony Blair Institute (die übrigens stark für die ID lobbyieren) sehen darin die Grundlage für den „modernen Staat“. Sie verweisen auf Vorbilder wie Estland, wo die Digitalisierung der Verwaltung und die digitale ID den Alltag massiv erleichtern und die Verwaltungskosten pro Kopf niedrig halten.
Aber hier liegt der feine Unterschied, den Kritiker hervorheben:
In Estland beruht das System auf Transparenz. Jeder Bürger kann online jederzeit nachvollziehen, wer wann welche seiner Daten eingesehen hat, und bei Missbrauch dagegen vorgehen. Das britische Modell scheint bisher mehr auf eine zentralisierte, verpflichtende „BritCard“ zu setzen, die (so die Befürchtung) diese Kontrolle nicht bietet. Der Hauptunterschied zur geplanten EU Digital Identity Wallet (EUDIW) liegt laut Experten darin, dass die EU-Lösung ein vom Nutzer kontrolliertes Wallet ist, während die „BritCard“ primär ein vom Staat ausgegebenes verpflichtendes Dokument zur Arbeitsverifikation ist.
Fazit: Freiheit vs. Bequemlichkeit
Die Befürworter um Starmer halten die Bedenken für pure „Angstmache“ und das Gerede von „Spinnern und Verschwörungstheoretikern“. Sie betonen die Vorteile: schnellere Behördengänge, weniger Betrug, mehr Effizienz.
Die Kritiker sehen jedoch die Gefahr, dass man reaktionäre Freiheiten des Individuums zugunsten einer vermeintlich progressiven Gesellschaft aufgibt. Edward Snowden sprach in einem ähnlichen Kontext (digitale Zentralbankwährung) vom „Krypto-Faschismus“. Es geht um die Grundsatzfrage, wie viel Macht wir dem Staat über unsere digitale Existenz einräumen.
Was meint ihr dazu? Ist die digitale ID der logische, notwendige Schritt in die Zukunft der Verwaltung, oder ist das die erste, verpflichtende Zwangskette hin zum totalen Überwachungsstaat?
Die Debatte jedenfalls ist entzündet und wir sollten sie aufmerksam verfolgen! Auch empfehle ich euch diesen Telepolis Artikel sowie die BBC News vom Ankündigungstag zum Thema.