Die digitale Welt entwickelt sich rasend schnell -und mit ihr auch die Anforderungen an IT-Profis. Doch Hand aufs Herz: Habt ihr euch auch schon mal gefragt, ob ein formeller Abschluss wirklich das Wichtigste ist?
Ich stelle hier mal eine These auf: Ob es nicht vielmehr auf eure tatsächlichen Fähigkeiten ankommt? Die typische Jobausschreibung für den IT-Systemadministrator, ob nun Anwendungsentwicklung oder Systemintegration gibt uns spannende Einblicke und Anlass, über ein Thema zu sprechen, das bestimmt viele von uns aus der Branche bewegt.
Das „Papier-Mindset“: Eine deutsche Eigenart?
In Deutschland gilt oft die Devise: Ohne „Schein“ kein „Sein“. Das kennen wir doch alle. Die Stellenanzeige fordert Master oder Bachelor, alternativ eine „abgeschlossene Ausbildung in der IT oder vergleichbarer technischer Bereich“ – idealerweise ergänzt durch eine „Weiterbildung zum Techniker/Meister, gern mit einschlägiger Berufserfahrung“. Das ist ein klarer Wunsch nach formaler Qualifikation und Berufserfahrung. Und ja, dieses Mindset ist hierzulande noch weit verbreitet.
Es ist eine Herausforderung, wenn du als Quereinsteiger oder Autodidakt mit einem breiten Skillset an den Start gehst, das nicht perfekt auf dem Papier abzubildet ist. Du wirst vielleicht im Initial-Screening aussortiert, weil der Haken in der Checkbox fehlt. Das ist frustrierend, denn in der IT wissen eigentlich alle: Fachwissen ändert sich ständig. Tools und Workflows werden durch neue, bessere Prozesse abgelöst. Wahre Expertise zeigt sich nicht nur in dem, was du irgendwann einmal gelernt hast, sondern vor allem darin, wie schnell und flexibel du dich anpasst und immer wieder auch Neues lernst.
Was internationale Konzerne anders machen
Internationale oder auch multinationale Konzerne haben hier oft einen Vorsprung. Ihr Fokus liegt häufig weniger auf dem perfekten Lebenslauf, sondern vielmehr auf der Transferleistung von Wissen. Sie schätzen die Fähigkeit, Erfahrungen aus unterschiedlichen Bereichen einzubringen und belohnen auch eine breit aufgestellte Wissensbasis. Sie wissen, dass besonders ein Bewerber mit einem unkonventionellen Hintergrund oft eine neuem frische Perspektive mitbringt, die das Team bereichert.
Statt starrer Checklisten setzen sie auf praktische ĂśberprĂĽfung, meist direkt im Vorstellungsgespräch. Du musst im Interview meist in Runde zwei (oder auch mal drei) zeigen, dass du die geforderten Skills auch wirklich im Job einsetzen kannst. Das ist fair und effizienter, als sich allein auf einen oder mehrere Zettel, schlimmstenfalls noch „von vor vielen Jahren“ zu verlassen.
Zeugnisnoten als Showstopper
Ă„hnlich verhält es sich auch mit der Schulbildung. Letzten Endes interessiert eine Firma doch nicht mehr ob ich vor ĂĽber 20 Jahren den Mathe-Professor aus der Abschlussklasse gut fand – oder mit der Lehrkraft fĂĽrs Fach Latein einfach nicht „warm“ geworden bin und deshalb diese Note im Zeugnis eh nur eine sehr spezifische Momentaufnahme abbildet. Viel wichtiger ist doch ob ich das benötigte Wissen um meine Aufgaben gut zu machen mitbringe.
Die Sache mit der „Junior-Stelle“ und der Realität
Ein weiteres Problem, das wir oft sehen: Firmen suchen „direkte Uni-Abgänger“, die aber am besten schon „mindestens 5 Jahre Erfahrung“ mitbringen. Das ist ein Widerspruch in sich, dient aber oft einem einzigen Zweck: dem Wunsch, eine gĂĽnstigere „Junior-Stelle“ zu besetzen, die jedoch idealerweise die Aufgaben einer Senior-Position erledigt bekommt.
Hier können wir uns von den GroĂźen in der Branche etwas abschauen. Es geht nicht darum, ob jemand ein „Junior“ oder „Senior“ ist, sondern darum, ob die Person die ausgeschriebenen Aufgaben bewältigen kann. Wenn ein Bewerber die notwendigen Skills hat, um beispielsweise Windows oder Linux-Server, die Active Directory oder den VirtualisierungsZoo zu administrieren, ein Netzwerk zu betreuen oder gar konplett neu aufzubauen, dann sollte die Position und somit die VergĂĽtung dem auch entsprechen und nicht einzig am Titel festgemacht werden.
Was können wir verbessern? Vom Obstkorb zur echten Wertschätzung
Stellenanzeigen sind oft voll mit typischen Floskeln: „familiäre Atmosphäre,“ „kostenloser Obstkorb,“ oder „Teamevents“ gespickt. Bessere Anzeigen nennen mittlerweile „betriebliche Altersvorsorge“, „Rabatte fĂĽr Online Shops“ oder „Beratungsangebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Das alles sind nette Benefits, aber am Ende des Tages entscheiden sich Bewerber nicht fĂĽr den Job wegen des Obstkorbs oder der Teamevents, sondern wegen den allgemeinen Arbeitsbedingungen, mittel- bis langfristige Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten und definitiv auch einfach wegen des Gehalts. Die wenigsten von uns dĂĽrften sich in der glĂĽcklichen Lage befinden, den Lohn als nicht essentiell wichtig betrachten zu können.
Vorschläge für ein besseres Miteinander:
- Seid ehrlich bei der Work-Life-Balance: Anstatt nur vage „flexible Arbeitszeitmodelle und -formen“ zu nennen, kommuniziert klar. Statt „Homeoffice Option“ schreibt „2 oder 3 Tage pro Woche im BĂĽro, Rest mobil.“ Auch ein „Nur nach Absprache on-prem“ dĂĽrften viele feiern.
- Weg vom „Papier“: Konzentriert euch auf die echten Fähigkeiten. Lasst Bewerber in einem kleinen, gern auch praktischen Test zeigen, was sie können. Erspart auch Frust fĂĽr später falls die Zettel der Bewerber schlimmstenfalls zu optimistisch waren und nichts hängen geblieben ist.
- Gehalts-Transparenz: Traut euch, eine Gehaltsspanne in die Anzeige zu schreiben. Das spart allen Beteiligten viel Zeit und zeigt, dass ihr die Arbeit wertschätzt. Sidenote: Wird ab 2026 ja sowieso EU-weit Pflicht. Kann man ruhig schon mal üben.
- Fördert Transfer-Skills: Zeigt in der Ausschreibung, dass ihr auch Quereinsteiger begrüßt, die vielleicht nicht alle „Boxen“ abhaken können, aber den nötigen Ehrgeiz und Lernwillen mitbringen. Erst neulich habe ich dies super formuliert gesehen: „Wir lernen gerne Menschen kennen, die mit uns wachsen wollen“. So muss das! Daumen hoch.
Bye-Bye Obstkorb: So erkennst du die Traumstelle schon an der Ausschreibung
Mal ehrlich, wie oft hast du schon eine Stellenanzeige gelesen und gedacht: „Echt jetzt?“ Wir alle kennen sie, die wohlklingenden Phrasen, die mehr versprechen als sie halten. Dabei wollen wir doch eigentlich nur die Fakten: Was erwartet uns, was müssen wir mitbringen und was steht am Ende des Monats auf dem Lohnzettel?
Die gängigen Ausschreibungen für den IT-Systemadministrator sind ein gutes Beispiel, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Hier sind ein paar augenzwinkernde Gedanken darüber, was eine gute Stellenanzeige ausmacht und wie ihr die wahren Schätze erkennt.
Was du wirklich wissen willst – und was du oft nicht liest
Im Grunde ist es wie in einem Onlineshop: Du siehst ein Produkt, aber der Preis steht nicht dabei. Das macht dich misstrauisch. Genauso geht es uns bei Jobanzeigen. Wir brauchen diese fĂĽnf entscheidenden Informationen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen:
- Aufgaben des Jobs: Was mache ich da eigentlich den ganzen Tag?
- Anforderungsprofil: Was muss ich dafür können?
- Bezahlung & Stufe: Was springt am Ende raus?
- Urlaubstage: Wie oft kann ich dem Job entfliehen?
- Arbeitszeitmodell & Homeoffice: Wie viel Freiheit habe ich, meinen Tag zu gestalten?
Fehlen die Punkte 3, 4 und 5, ist das ein klares Indiz dafĂĽr, dass du nachfragen musst, möglicherweise dich auch erst einmal durch diverse Interviewrunden vorarbeitest, bevor die „interessanten Fragen“ gestellt werden „dĂĽrfen“ und wer hat schon Lust auf dieses Versteckspiel?
Vorsicht vor der Floskel-Falle
Wir haben sie alle schon erlebt, die vermeintlich tollen Benefits, die in der Realität eher einem schlechten Witz gleichen.
- Der legendäre Obstkorb: Klingt gesund, aber oft sieht das Obst aus, als hätte es eine Weltreise hinter sich. Lass dich nicht von einem Apfel ködern, den du lieber ignorierst.
- Kostenlose Getränke: Wenn der Kaffee nach Spülwasser schmeckt und das Wasser rationiert wird, weißt du, dass die Prioritäten woanders liegen.
- Mitarbeiterevents und Yogakurse: „Team-Spirit!“ – denkt die Personalabteilung. „Muss ich da wirklich hingehen?“ – denken viele von uns. Solche Angebote sind super, wenn sie freiwillig und sinnvoll sind, aber sie sollten kein Ersatz für Wertschätzung sein.
- „Flache Hierarchien“: Klingt modern, aber oft heißt das: Jeder mischt sich ein, Verantwortlichkeiten sind unklar, und der Konkurrenzkampf ist groß.
- „Familiäre Atmosphäre“: Ein schöner Gedanke, aber manchmal bedeutet das eher, dass das Familienmitglied des Chefs ohne Qualifikation eine wichtige Rolle einnimmt und so unnötige Reibung entsteht. Die wird dir dann im familiären Umfeld noch als Nestwärme verkauft.
Was wirklich zählt: Die echten Signale
Eine wirklich gute Stellenanzeige ist wie ein handsignierter Brief – persönlich und ehrlich. Sie spricht Klartext und zeigt, dass das Unternehmen dich als Profi respektiert.
Dieses Ausschreibungsbeispiel zeigt uns, wie es geht:
- Seid konkret: Statt nur „flexible Arbeitszeiten“ zu schreiben, gebt klare Rahmenbedingungen. „2 Tage OnPrem, Rest mobiles Arbeiten“. Zack. Das schafft direkt Vertrauen.
- Sprecht über Gehalt und Urlaub: Transparenz ist ein Zeichen von Stärke. Eine Gehaltsspanne spart Zeit und zeigt, dass die Firma ihre Mitarbeiter wertschätzt.
- Fokus auf das Wesentliche: Niemand liest gerne eine halbe Seite Firmengeschichte. Ein kurzer Abschnitt darüber, was ihr tut und warum der Job spannend ist, reicht völlig aus. Ansonsten: Ausblick auf die kurz und mittelfristige Zukunft wäre viel wichtiger als die Vergangenheit.
- Fördert Transfer-Skills: Eine gute Ausschreibung macht es vor: „Du erfüllst nicht alle Anforderungen, hast aber Lust auf die Aufgabe und den nötigen Ehrgeiz? Dann freuen wir uns trotzdem auf deine Bewerbung!“ Genau das ist die richtige Einstellung! Sie zeigt, dass das Potenzial und die Lernbereitschaft wichtiger sind als ein perfekter Lebenslauf.
Es muss nicht immer jemand der Magnificent 7 oder ein Fortune-500-Unternehmen sein, um diese Punkte umzusetzen. Auch kleine und mittelständische Unternehmen können hier vorbildlich vorangehen. Es ist ein Umdenken, das uns alle voranbringt und die Attraktivität, besonders in der IT-Branche für talentierte Köpfe steigert.