Schere-Stein-Papier: Warum der 27. August der wichtigste Tag für Entscheidungsmuffel ist
Wer kennt es nicht? Die verzweifelte Situation, wenn niemand entscheiden will, wer abwäscht, wer den letzten Kaffee machen muss oder wer beim nächsten Spieleabend anfangen darf. Zum Glück gibt es den 27. August – den Internationalen Schere-Stein-Papier-Tag. Und nein, das ist kein Scherz!
Was ist eigentlich dieser kuriose Feiertag?
Seit 2014 würdigt die Welt am 27. August das vermutlich fairste Entscheidungsspiel aller Zeiten. Die World Rock Paper Scissors Association (WRPSA) aus Ottawa, Kanada, hat diesen Tag ins Leben gerufen, um das universelle Spiel zu feiern, das unabhängig von Sprache, Geschlecht oder Alter funktioniert.
Warum ausgerechnet der 27. August? Das bleibt ein Geheimnis der Initiatoren. Vielleicht wollten sie einfach einen Termin, an dem garantiert niemand wichtige Meetings hat, um sich voll und ganz dem strategischen Fingerakrobatik zu widmen.
Zur Entstehung gibt es auf der WRPSA Seite auch einige weitere Interessante Infomationen, die ich euch nicht vorenthalten möchte: Eine Reise durch 2000 Jahre Spielgeschichte. Was viele nicht wissen: Schere-Stein-Papier ist älter als das Christentum! Die WRPSA hat die faszinierende Entstehungsgeschichte dokumentiert:
Die Anfänge im alten China (206 v.Chr. – 220 n.Chr.)
Die erste dokumentierte Erwähnung findet sich in „Wuzazu“, einem chinesischen Text aus der Ming-Dynastie (17. Jahrhundert) von Xie Zhaozhi, der ein Handspiel namens „shoushiling“ bis zur Han-Dynastie zurückverfolgt. Das ursprüngliche Spiel verwendete jedoch andere Symbole: Tausendfüßler, Frosch und Schlange – jedes Tier besiegte ein anderes in einem endlosen Kreislauf.
Import nach Japan: Die Ken-Spiele (17. Jahrhundert)
Im 17. Jahrhundert gelangten diese Spiele als „Ken-Spiele“ nach Japan und wurden zunächst als chinesische Trinkspiele in Vergnügungsvierteln gespielt. Die japanische Version hieß „Sansukumi-ken“ („Drei, die sich fürchten“):
Mushi-ken (虫拳) – Das Ur-Spiel:
- Daumen = Frosch besiegt kleiner Finger = Nacktschnecke
- Nacktschnecke besiegt Zeigefinger = Schlange
- Schlange besiegt Frosch
Fun Fact: Durch Übersetzungsfehler wurde aus „Tausendfüßler“ eine „Nacktschnecke“!
Evolution zur modernen Form (späte 1700er–1800er)
Später entwickelte sich „Kitsune-ken“ (Fuchs-Dorfvorsteher-Jäger), das zweihändige Gesten erforderte. Gegen Ende der Edo-/Meiji-Zeit (19. Jahrhundert) erschien schließlich „Jan-ken“ – Stein, Papier, Schere – das schnell alle anderen Ken-Spiele verdrängte.
Der Sprung in den Westen (frühes 20. Jahrhundert)
1921 beschrieben der Sydney Morning Herald und die Washington Herald das Spiel als „stone, scissors, paper“ bzw. „Chinese gambling“ – die ersten dokumentierten Erwähnungen im westlichen Raum.
Genau so vielfältig wie die verwendeten Begriffe sind auch die Namen des Spiels wenn man sich international umschaut. Auch dazu gibt es umfangreiche Infos bei der WRPSA, zB. in diesem Artikel. Ich erwähne deshalb nur einige der bekannteren Varianten: „jan-ken-pon“ in Japan – „goli, chidiya, lakdi“ in Indien – Ro-Sham-Bo oder Rock, Paper, Scissors in den USA – „Piedra, Papel, Tijera“ in Spanien.


Die heiligen Regeln des Schnick-Schnack-Schnuck
Grundprinzip
Zwei Spieler zählen gemeinsam „Schnick, Schnack, Schnuck“ (oder „Rock, Paper, Scissors“ bzw. im deutschsprachigen Raum auch Schere, Stein, Papier) und zeigen dann gleichzeitig eine Handgeste:
- Schere (zwei ausgestreckte Finger)
- Stein (geschlossene Faust)
- Papier (flache Hand)
Wer gewinnt gegen wen?
- Schere schneidet Papier → Schere gewinnt
- Papier umhüllt Stein → Papier gewinnt
- Stein zerschmettert Schere → Stein gewinnt
Bei gleichen Gesten gibt es ein Unentschieden – dann wird einfach noch eine Runde gespielt.
Die Mathematik dahinter: Ist das wirklich fair?
Wahrscheinlichkeitsverteilung im klassischen Spiel
Theoretisch hat jeder Spieler eine 33,33% Chance zu gewinnen, zu verlieren oder unentschieden zu spielen. Klingt fair, oder?
Aber halt! Die Realität sieht anders aus:
- Menschen sind nicht zufällig – wir haben Präferenzen
- Unerfahrene Spieler wählen häufiger Stein (ca. 35,4% der Zeit)
- Papier wird tendenziell am seltensten gewählt (ca. 29,6%)
- Schere liegt dazwischen (ca. 35%)
Psychologische Strategien
- Anfänger-Taktik: Spiele Papier – die meisten starten mit Stein
- Fortgeschritten: Beobachte Muster deines Gegners
- Profi-Level: Nutze „Gambit“-Strategien (bewusste Wiederholungen, um den Gegner zu verwirren)
Statistische Realität
In großen Turnieren zeigen sich interessante Muster:
- Nach einem Verlust wechseln 60% der Spieler ihre Strategie
- Nach einem Gewinn wiederholen 45% ihre letzte Wahl
- Bei Unentschieden bleiben 70% bei derselben Geste
🦎🖖 Level Up: Schere-Stein-Papier-Echse-Spock aus The Big Bang Theory
„Schere schneidet Papier, Papier bedeckt Stein, Stein zerquetscht Echse, Echse vergiftet Spock, Spock zertrümmert Schere, Schere köpft Echse, Echse frisst Papier, Papier widerlegt Spock, Spock verdampft Stein und wie immer schleift Stein Schere.“ – Dr. Sheldon Cooper
Die Entstehungsgeschichte
Diese geniale Erweiterung stammt ursprünglich vom Internetpionier Sam Kass, wurde aber durch Sheldon Cooper in „The Big Bang Theory“ erst weltberühmt. Sheldons Begründung: Das klassische Spiel hat zu viele Unentschieden – die 5-Element-Version reduziert diese statistisch gesehen.
Die Regeln im Detail
Die 5 Elemente und ihre Handgesten:
- Schere: Zeige- und Mittelfinger spreizen (wie beim klassischen Spiel)
- Stein: Geschlossene Faust (klassisch)
- Papier: Flache Hand (klassisch)
- Echse: Hand wie ein Maul (Daumen und Finger zusammen)
- Spock: Vulkanier-Gruß (Ring- und kleiner Finger zusammen, Zeige- und Mittelfinger zusammen, getrennt durch den Mittelfinger)
Wer schlägt wen? Das 10-Regeln-System:
Jedes Element gewinnt gegen genau 2 andere und verliert gegen 2 andere
Klassisches vs. Erweitertes Spiel: Der Vergleich
Wahrscheinlichkeiten
Klassisches Schere-Stein-Papier:
- Gewinnchance pro Spieler: 33,33%
- Unentschieden-Wahrscheinlichkeit: 33,33%
- Anzahl möglicher Kombinationen: 9 (3²)
Schere-Stein-Papier-Echse-Spock:
- Gewinnchance pro Spieler: 40% (10 von 25 Kombinationen)
- Unentschieden-Wahrscheinlichkeit: 20% (5 von 25 Kombinationen)
- Anzahl möglicher Kombinationen: 25 (5²)
Strategische Komplexität
Klassisch:
- Einfach zu erlernen
- Schnelle Entscheidungen
- Psychologie steht im Vordergrund
Erweitert:
- Höhere kognitive Belastung
- Mehr Variationsmöglichkeiten
- Geringere Unentschieden-Rate
Sheldon Cooper’s Dilemma
Ironischerweise führt die Erweiterung in „The Big Bang Theory“ oft zu genau dem Problem, das sie lösen sollte: Zu viele Unentschieden! Warum? Weil alle Charaktere (als Star Trek-Fans) intuitiv zu Spock tendieren.
Die Sheldon-Paradoxie:
- Theoretisch weniger Unentschieden (20% statt 33,33%)
- Praktisch mehr Unentschieden durch Präferenz-Clustering
- Beweis: Selbst geniale Physiker sind nicht gegen psychologische Muster gefeit
Das RPS-Prinzip: Geheimwaffe der Spieleentwickler
Was Sheldon Cooper intuitiv verstanden hat, nutzen Spieledesigner weltweit als fundamentales Balancing-Prinzip: Die symmetrische Counter-Mechanik von Schere-Stein-Papier ist das Rückgrat unzähliger Spiele!
Videospiele: Von Pokemon bis Strategiespielern
- Pokemon: Feuer schlägt Pflanze, Wasser schlägt Feuer, Pflanze schlägt Wasser
- Age of Empires: Infanterie > Bogenschützen > Kavallerie > Infanterie
- Overwatch: Tank-Damage-Support bilden ein RPS-Dreieck
- League of Legends: Champion-Picks basieren auf Counter-Systemen
Brettspiele und Tabletop
- Magic: The Gathering: Aggro schlägt Control, Control schlägt Combo, Combo schlägt Aggro
- Warhammer 40k: Verschiedene Armeefraktionen countern sich gegenseitig
- Risiko: Geländevorteile, Einheitentypen und Strategien bilden RPS-Zyklen
Warum funktioniert das RPS-Balancing so gut?
Mathematische Eleganz: Jede Option hat gleichviele Stärken und Schwächen – perfekte theoretische Balance.
Metagame-Dynamik: Wenn eine Strategie zu dominant wird, entstehen automatisch Counter-Strategien, die das Gleichgewicht wiederherstellen.
Strategische Tiefe: Spieler müssen nicht nur ihre eigene Strategie perfektionieren, sondern auch die Gegner „lesen“ können.
Endlose Wiederspielbarkeit: Es gibt keine „perfekte“ Strategie – nur situativ beste Entscheidungen.
Das geniale daran: Je mehr Elemente man hinzufügt (wie bei Echse-Spock), desto komplexer wird das System, aber das Grundprinzip bleibt dasselbe. Moderne Spiele verwenden oft 5-, 7- oder sogar 10-Element-Systeme, um noch mehr taktische Varianten zu ermöglichen.
Fazit: Warum dieser Tag gefeiert werden sollte
Ob klassisch oder erweitert – Schere-Stein-Papier ist mehr als nur ein Kinderspiel. Es ist:
- Diplomatie in Reinform: Friedliche Konfliktlösung
- Angewandte Psychologie: Menschliche Muster entschlüsseln
- Philosophie: Die Kunst der schnellen Entscheidung
- Universelle Sprache: Funktioniert überall auf der Welt
Also, heute am 27. August: Schnapp dir einen Freund, eine Kollegin oder auch einen Fremden an der Bushaltestelle und entscheide mit einem ehrlichen „Schnick, Schnack, Schnuck“, wer den Kaffee bezahlt, was es zum Abendessen gibt oder von mir aus auch wer den Abwasch erledigt.
Und denk dran: Falls ihr beide Spock wählt, seid ihr zumindest in bester Gesellschaft mit Dr. Sheldon Cooper! 🖖
Pro-Tipp: Für echte Fortgeschrittene die mit Echse und Spock nichts anfangen können gibt es übrigens auch „Schere-Stein-Papier-Brunnen-Batman“ – aber das ist eine Geschichte für einen anderen Tag…
Faszinierend!