Die deutschen Bundesländer arbeiten an einer umfassenden Neuordnung der Medienregulierung.
Ein Diskussionspapier der Rundfunkkommission vom Oktober 2025 skizziert weitreichende Reformvorschläge für einen „Digitale Medien-Staatsvertrag“, der die kommunikativen Grundlagen unserer Demokratie im digitalen Zeitalter sichern soll.
Also quasi „Wir müssen jetzt auch endlich mal das Neuland besteuern“?
Im Kern geht es darum, die Medienordnung fit für eine Ära zu machen, in der künstliche Intelligenz, soziale Plattformen und Algorithmen den Zugang zu Informationen maßgeblich prägen. Die Vorschläge zielen darauf ab, journalistische Qualität zu stärken, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und demokratische Kommunikationsräume vor Manipulation zu schützen.
Schauen wir mal drüber:
Zusammenfassung: Diskussionspapier zum Digitale Medien-Staatsvertrag (DMStV)
Das Papier der Rundfunkkommission vom Oktober 2025 entwickelt Reformvorschläge für die Medienregulierung in drei Hauptbereichen:
I. Inhalteanbieter und Refinanzierung stärken
Wirtschaftliche Rahmenbedingungen:
- Austarierte Werberegulierung schaffen (keine neuen Werbeverbote, Level Playing Field zwischen Rundfunk und digitalen Plattformen)
- Quantitative Werbebeschränkungen flexibilisieren, aber Trennungsgebot beibehalten
- Lokale/regionale Medien gezielt unterstützen
KI-Regulierung:
- KI-Angebote wie ChatGPT als medienrelevante Dienste einbeziehen (Quellenangaben, Plausibilitätschecks, Verantwortlichkeit)
- Urheberrechtliche Klarstellungen für KI-Training
- Transparenzpflichten und Vergütungsansprüche für Rechteinhaber einführen
Auffindbarkeit:
- Public-Value-Kriterien für verlässliche Inhalte schärfen
- Auffindbarkeit auf neue Plattformen (App-Stores, Auto-Systeme, KI) ausweiten
- Einzelinhalte in Feeds/Timelines bevorzugt sichtbar machen (Labeling-System)
Journalistische Standards:
- Journalistische Sorgfaltspflichten angleichen (Rundfunk/Online)
- Privilegierung für Anbieter mit journalistischen Standards (Schutz vor Diskriminierung, Downranking)
II. Freie Kommunikationsräume und wirksame Aufsicht
Manipulationsschutz:
- Kennzeichnungspflicht für automatisierte Accounts, Bots und bezahlte Inhalte
- Maßnahmen gegen „Coordinated Inauthentic Behaviour“ (Fake Accounts, geklonte Websites)
- Umsetzung von Vereinsverboten im Medienbereich
Aufsichtseffizienz:
- Fokus auf demokratierelevante Schutzgüter (zusätzliche Straftatbestände in JMStV/MStV aufnehmen)
- Federführerprinzip bei gemeinsamen Verfahren einführen
- Unabhängigkeit europäischer Aufsichtsstrukturen stärken
Entbürokratisierung:
- Berichtspflichten überprüfen und verschlanken
- Verwaltungsverfahren digitalisieren und vereinfachen
III. Wachstum ermöglichen und Vielfalt sichern
Medienkonzentrationsrecht:
- Deutlich über TV hinaus erweitern auf Plattformmacht und Verbreitungsstrukturen
- Werbe-/Umsatzerlöse und Reichweite als Indikatoren nutzen
- Cross-Ownership-Konstellationen berücksichtigen
Kooperationen:
- Wettbewerbsrechtliche Hürden für Medienkooperationen abbauen
- Outlinks bei marktmächtigen Plattformen generell erlauben
Kernziel: Modernisierung der Medienregulierung für das digitale Zeitalter bei Wahrung journalistischer Standards und demokratischer Kommunikationsräume.
Detailbetrachtung:
Faire Bedingungen im Werbemarkt schaffen
Ein zentrales Anliegen ist die Refinanzierung privater Medien. Während traditionelle Rundfunkanbieter strengen Werbebeschränkungen unterliegen, operieren digitale Plattformen weitgehend regulierungsfrei. Die Reformer fordern ein „Level Playing Field“: Gleiche Regeln für alle, die um Werbeerlöse konkurrieren.
Konkret bedeutet das keine neuen Werbeverbote, dafür aber eine Flexibilisierung bestehender Beschränkungen. Besonders lokale und regionale Medien, die unter enormem Kostendruck stehen, sollen davon profitieren.
KI-Angebote in die Verantwortung nehmen
Besonders brisant sind die Vorschläge zur Regulierung künstlicher Intelligenz. ChatGPT, Google AI Overview und ähnliche Dienste sollen künftig als medienrelevante Angebote eingestuft werden.
Das würde bedeuten: Pflicht zur Quellenangabe, Plausibilitätschecks anhand verlässiger Quellen und Verantwortlichkeit für generierte Inhalte. Zudem fordern die Länder urheberrechtliche Klarstellungen: Wenn KI-Systeme mit journalistischen Inhalten trainiert werden, sollen Rechteinhaber transparent informiert und vergütet werden.
Verlässliche Inhalte besser auffindbar machen
In einer Welt, in der Algorithmen entscheiden, was Nutzer sehen, wird Auffindbarkeit zur Existenzfrage für Qualitätsjournalismus. Die Reformvorschläge sehen vor, sogenannte „Public Value“-Kriterien für verlässliche Inhalte zu schärfen und deren privilegierte Darstellung auszuweiten. Dies soll nicht nur auf Benutzeroberflächen, sondern auch in Feeds, Timelines und sogar in KI-Antworten gelten.
Medienanbieter könnten ihre Inhalte nach Kategorien labeln, um algorithmisch bevorzugt ausgespielt zu werden. Journalistische Angebote, die anerkannte Standards erfüllen, sollen zudem vor Benachteiligung geschützt werden. Dies kann durch Paywalls oder Outlinks erfolgen und sie dürften dadurch auch nicht herabgestuft werden.
Schutz vor Manipulation und Desinformation
Die digitalen Kommunikationsräume stehen unter zunehmendem Druck durch koordinierte Manipulationsversuche. Das Papier adressiert sogenanntes „Coordinated Inauthentic Behaviour“: Fake Accounts, Social Bots, geklonte Nachrichtenseiten und gekaufte Likes. Künftig sollen automatisiert erstellte Inhalte und bezahlte Platzierungen klar gekennzeichnet werden müssen.
Auch will man prüfen, inwieweit Praktiken verboten werden können, die menschliches Handeln vortäuschen. Zusätzlich sollen digitale Angebote von rechtskräftig verbotenen Vereinigungen online nicht mehr abrufbar sein.
Effektivere Aufsicht und weniger Bürokratie
Die Medienaufsicht durch die Landesmedienanstalten soll gestärkt und gleichzeitig entschlackt werden. Der Fokus soll stärker auf demokratie-relevanten Schutzgütern liegen, etwa durch Aufnahme weiterer Straftatbestände wie Doxing oder Beleidigung von Personen des politischen Lebens in die Zuständigkeit der Medienaufsicht. Gleichzeitig sollen überflüssige Berichtspflichten abgebaut und Verwaltungsverfahren digitalisiert werden.
Medienkonzentration neu denken
Besonders weitreichend sind die Überlegungen zum Medienkonzentrationsrecht. Bisher fokussiert es stark auf Fernsehen; künftig sollen auch Plattformmacht und Verbreitungsstrukturen erfasst werden. Wenn Inhalte und Infrastruktur in einer Hand liegen, soll die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) eingreifen können. Werbeerlöse, Umsätze und Reichweite sollen als Indikatoren für Meinungsmacht dienen.
Fazit:
Das ganze klingt nach einem Balanceakt mit völlig offenem Ausgang
Die Vorschläge markieren den Versuch, eine analoge Medienordnung ins digitale Zeitalter zu überführen. Ob und in welcher Form sie umgesetzt werden, ist offen; das Papier dient zunächst der Diskussion.
Klar ist aber: Die Reform zielt darauf ab, journalistische Qualität zu schützen, ohne Innovation zu ersticken, und demokratische Kommunikation zu sichern, ohne Meinungsfreiheit einzuschränken. Ein Spagat, der angesichts der Dominanz globaler Tech-Plattformen und der rasanten KI-Entwicklung nicht einfacher wird.
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Diskussionspapier 10/25 | DMStV Sitzungsprotokoll | heise.de Artikel | Rundfunkkomission RLP |